Reaction-Videos - Darf ich öffentlich auf fremde Inhalte reagieren?

by msk


Reaction-Videos boomen. Ob auf YouTube oder Twitch – das Konzept ist denkbar einfach. Der Content Creator schnappt sich ein meist von seiner Community vorgeschlagenes Video eines Dritten, bindet dieses (in Ausschnitten) in sein Video oder Stream ein und reagiert „live“ auf dessen Inhalte. Er nutzt hierzu typischerweise den Content des Dritten im Hauptframe seines Videos und blendet sich selbst in einem kleineren Frame am Bildschirmrand ein – so wie typischerweise auf Twitch Spiele interaktiv gestreamt werden. Hierzu haben sich bereits ganze Reaction-Communities gebildet. Die Inhalte untermalt durch die audiovisuellen Live-Reactions können dabei sehr individuell gestaltet und höchst unterhaltsam sein – das ist aber nicht die Regel. Das Gute daran: Der Content Creator muss gar nicht wirklich eigenen Content createn. Nur darf man urheberechtlich geschützte Inhalte Dritter nicht nur dann verwenden, wenn man eine Lizenz bzw. wenigstens die Einwilligung des Urhebers hat? Oder kann ich mich etwa auf die urheberrechtliche Schrankenregelung des Zitats gemäß § 51 UrhG berufen? Schließlich zitiere („kopiere“) ich ja nur das Drittmaterial und lege meinen eigenen Content drüber. Wir schauen uns das mal genauer an.

Eingriff in Urheberrechte?

Zuerst stellt sich die Frage, ob das bloße Kopieren und Einbinden der Videoinhalte Dritter in eigene Videos nicht eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Die meisten audiovisuellen Videoinhalte, die auf Plattformen wie YouTube oder Twitch hochgeladen werden, sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG als Filmwerke geschützt. Urheber eines solchen Filmwerks ist der Schöpfer des Werkes – zumeist der Kanalbetreiber aka Content Creator. Nur dieser Content Creator hat das ausschließliche Recht, sein Filmwerk in körperlicher Form zu verwerten, z.B. anderen auf den genannten Plattformen auf seinem Kanal zugänglich zu machen.

Wenn du also fremde Inhalte auf deinem eigenen Kanal (ungeachtet dessen, dass es keine 1zu1-Verbreitung ist) öffentlich zugänglich machen möchtest, benötigst du dazu in der Regel die (vorherige) Einwilligung des jeweiligen Urhebers. In einem anderen Blogartikel zum Urheberrechtlichen Schutz von Spieleinhalten habe ich die Thematik bereits in ähnlicher Form erläutert: Du kannst bei der Live-Reaction selbst dann nicht auf eine Einwilligung verzichten, wenn du nur einen kleinen Ausschnitt des fremden Inhaltes zeigst und darauf reagierst. Eine Fair-Use-Mechanik findet auch hier (im deutschen/europäischen Rechtsraum) keine Anwendung.

Aber man zitiert doch nur?!

Man könnte meinen, einfach unter oder in das Video den Hinweis „Quelle XY“ zu setzen, möge ausreichen, da man schließlich die Inhalte nicht bearbeitet, sondern nur 1zu1 wiedergibt, also mithin dem Volksmund nach lediglich „zitiert“. So leicht ist es leider nur nicht – das ist ein häufig wiederkehrender Rechts-Irrglaube! Damit die Voraussetzungen eines urheberrechtlichen Zitats nach § 51 UrhG vorliegen, müssen einige Besonderheiten beachtet werden.

Wie bereits erwähnt, gilt das Zitat im Urheberrecht als Schranke. Eine Schranke ist eine Ausnahme von Gesetzes wegen. Zwar ist unter einem Zitat durchaus die 1zu1-Wiedergabe von einzelnen Passagen eines urheberrechtlich geschützten Videos anzusehen. Dies mag im ersten Moment logisch klingen, da auch einem Content-Creator die Freiheit gegeben sein soll, sich mit den Werken anderer Urheber auseinandersetzen zu können. Jedoch ist der Knackpunkt hierbei, dass die 1zu1-Wiedergabe samt Kommentierung als Live-Reaction in einem eigenen urheberrechtlichen Werk eingebettet und eine notwendige Schöpfungshöhe erreicht werden muss. Das OLG Köln hat in seinem Urteil vom 13.12.2013 (Az.: 6 U 114/13) die Voraussetzungen für ein urheberrechtliches Zitat näher beleuchtet. Im vorliegenden Fall wurden auch fremde Filmausschnitte in ein eigenes bei YouTube eingestelltes Video eingefügt. Nach dem Entscheidungswortlaut stellt eine pauschale Kritik (Live-Reaction i.w.S.), die sich nicht konkret auf den Inhalt der zitierten Szenen bezieht, keine ausreichende inhaltliche Auseinandersetzung dar, weshalb die Einblendung in diesem Fall nicht von § 51 UrhG gedeckt sein kann.

Das bedeutet für dich nun konkret, dass wenn dein verwendetes Video eines Dritten nur zur reinen Einblendung dient, bzw. du dir den Aufwand ersparen möchtest, selbst ein solches Video zu kreieren, kein Zitat nach § 51 UrhG vorliegen kann. Es müsse vielmehr eine innere Verbindung mit deinen eigenen Gedanken hergestellt werden. Ein einem Reaction-Video musst du dich als Content-Creator also inhaltlich punktuell genau mit dem eingeblendeten Video auseinandersetzen. Es dürfte dem Urteil nach salopp gesagt nicht genügen, einfach nur lustige Sprüche zu gewissen Passagen abzugeben und deine Zuschauer unterhalten zu versuchen. Auch höchstrichterlich wurde ein ähnlicher Fall zur TV-Show TV Total vom BGH, Urteil vom 20. 12. 2007 (Az.: I ZR 42/05) entschieden. Dort wurden regelmäßig Filmsequenzen in die Sendungen von Stefan Raab integriert, ohne dass sich Stefan Raab üblicherweise mit diesen Sequenzen so kritisch auseinandergesetzt hat, dass diese Grundlage für die eigenen inhaltlichen Ausführungen waren. Kritische Auseinandersetzungen (z.B. Parodien oder Karikaturen) wird man gemeinhin bei Satire-Sendungen wie der „heute Show“ oder „Extra3“ eher bejahen können als salopp getätigte lustige Kommentare zu solchen Sequenzen – damals im linearen TV und heute verstärkt online. Demnach wird dieses Vorgehen in den allermeisten Fällen nicht vom Zitatrecht gedeckt sein, solange es an einer gewissen Tiefe der Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Sequenz mangelt. Man schafft dadurch somit noch kein eigenes Kunstwerk nach den o.g. Kriterien.

 

Daher werden sich leider auch die meisten Reaction-Videos nicht auf das urheberrechtliche Zitat berufen können!

 

Selbst wenn man die Meinung vertreten sollte, dass sein eigenes Reaction-Video tatsächlich so individuell ist und unter diese Schrankenregelung fällt, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Das Video des Dritten muss nämlich vorher bereits legal veröffentlicht worden sein und darf kein urheberrechtsverletzendes Material enthalten. Zudem darf das zitierte Video lediglich als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen des Content Creators dienen (nämlich bspw. eben durch Satire, Karikaturen oder Parodien). Zu guter Letzt dürfen die Ausschnitte nur im erforderlichen zeitlichen Umfang gezeigt werden. Wenn man ein 60-minütiges Video präsentiert, aber nur 5 Minuten darin parodiert, ist dies höchstwahrscheinlich auch nicht zulässig, sollte man keine Einwilligung dazu vom Urheber haben.

 

Exkurs – und was ist mit Memes?

Gleiches gilt im Übrigen auch für Bilder wie bspw. Memes. Als Meme bezeichnet man in der Internetsprache ein Bild, Video oder Textstück, das normalerweise humorvoller Natur ist und von den Usern schnell kopiert und verbreitet wird, häufig mit geringfügigen Abweichungen/Bearbeitungen. Speziell im Zuge der Artikel 17-Debatte (ehemals ‚Artikel 13‘) rund um die EU-Urheberrechtsreform und Uploadfilter, die Deutschland bis Mitte 2021 in nationales Recht umsetzen muss, gab es Befürchtungen, dass auch die so beliebten Memes der Reform zum Opfer fallen würden. Schließlich nutzen diese oft urheberrechtlich geschütztes Material als Grundlage, um daraus auf einfache plakative Weise satirische Inhalte zu entwerfen und der breiten Massen zugänglich zu machen. Die Meinungen driften hier auseinander. Juristen können sich wohl triftig darüber streiten, ob ein Meme als Satire aufzufassen ist. Im Zweifel gilt aber auch hier, dass eigentlich die Einwilligung des Rechteinhabers des Ursprungscontents auch vorab schon eingeholt werden müsste, auch wenn Rechteinhaber womöglich weniger hiergegen vorgehen dürften. TBD!

Weitere rechtliche Spannungsfelder

Ich möchte zudem ganz kurz noch ein paar weitere rechtliche Spannungsfelder aufzeigen, die bei Reaction-Videos zu beachten sind.

Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild: Häufig werden in Reaction-Videos Personen gezeigt. Demnach müssten streng genommen diese Personen grundsätzlich vorab um Erlaubnis gebeten werden, bevor der Content-Creator den Inhalt mit der Darstellung dieser Personen in sein eigenes Video aufnimmt und öffentlich zugänglich macht. Ausnahmen bestehen bei großen Menschenmassen, bei denen die Personen nur Beiwerke sind oder bei bekannten Persönlichkeiten. Strittig ist, ob Content-Creator und wenn ja ab welcher Schwelle an Views/Followern sie als bekannt gelten. Grundsätzlich problematisch sind abfällige und herabsetzende Äußerungen, sofern diese auf falschen Tatsachen oder auf Diffamierungen einer Person („Schmähkritik“) beruhen.

Wettbewerbsrecht: Stichwort – Kennzeichnung von Werbung. Es sollte vermieden werden, das Publikum in die Irre zu führen. Dazu ist es erforderlich, dass die im Reaction-Video gezeigte Werbung ausdrücklich als solche auch gekennzeichnet wird – das gilt sowohl für eigene als auch die Werbung des Dritten! Der Zuschauer muss zwischen der Werbung und dem eigentlichen Inhalt des Reaction-Videos differenzieren können.

Ebenso sind markenrechtlich geschützte Zeichen zu beachten. Reagierst du bspw. auf ein Video von Gronkh (bürgerlich Erik Range, der unter seinem markenrechtlich geschützten Pseudonym „Gronkh“ auftritt und Waren und Dienstleistungen anbietet), ohne die Erlaubnis zu haben, diesen geschützten Markennamen nutzen zu dürfen (z.B. verwechslungsfähig im Videotitel "Gronkh - Live Reaction"), dann drohen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Knackpunkt wäre aber hier, dass du als Content-Creator im Rahmen deiner geschäftlichen Tätigkeit den Markennamen „Gronkh“ verwendest. Die Gerichte sehen dies bei Influencern/Content-Creatoren zumeist als gegeben an. Denn das Markengesetz besagt, dass es bereits ausreicht, wenn eine potenzielle Gefahr besteht, dass bspw. das Video mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht werden könnte. Je bekannter die Marke, desto schützenswerter wäre sie in diesem Fall auch. Deshalb sollte auch hier vorsorglich die Einwilligung erteilt werden.

Fazit

Die urheberrechtlich privilegierte Zitierfreiheit ist wesentlich enger als viele glauben. Sie gestattet es gerade nicht, ein fremdes Werk nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen, ohne eine innere Verbindung zwischen dem Reaction-Video und dem ursprünglichen Video herzustellen. An einer solchen notwendigen inneren Verbindung fehlt es regelmäßig, wenn sich das zitierende Werk nicht näher mit dem eingefügten fremden Werk auseinandersetzt, sondern es nur zur Illustration verwendet (BGH, Urteil vom 05.10.2010 – Az.: I ZR 127/09). Daher ist speziell für alle Content-Creator Vorsicht geboten, ohne eine explizite Einwilligung des Dritten/Urhebers auf deren Videos zu reagieren. Verstärkt werden könnte die Problematik im Zuge der kontrovers diskutierten Uploadfilter, bezogen auf Artikel 17 der avisierten EU-Urheberrechtsreform, auf die wir hier aber nicht weiter eingehen werden.

Tipp: Reagiert vorsichtshalber ohne vorherige Einwilligung nur auf Videos von Personen, die euch wohl gesonnen sind!


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