by msk
Heute soll der vorerst letzte Artikel bezugnehmend auf meine erste kleine Doodle-Umfrage folgen. Ich möchte klären, welchen rechtlichen Rahmenbedingungen eigentlich das Streamen von Spielen ausgesetzt ist. Wieso darf man eigentlich fremdes Spielematerial, unabhängig welcher Art (Spielanleitungen mit Screenshots, Highlight-Videos mit oder ohne Kommentaren oder umfangreiche Video-Anleitungen, um etwa ein Spiel durchzuspielen), bei YouTube oder anderen Plattformen mit seinen eigenen Anmerkungen und Verfeinerungen hochladen oder gar in Echtzeit auf Twitch präsentieren. Oder darf man das ursprünglich gar nicht und jeder macht es einfach? Nachfolgend möchte ich die urheberrechtlichen Bedenken erläutern und auch schauen, inwieweit die AGB der Publisher diese Thematik aktiv aufgreifen. Vorab sei noch gesagt, dass die Rechtsprechung hierzu noch sehr wenig entschieden hat und das Feld relativ unbefleckt ist. Auch in der Praxis macht sich meiner Erfahrung nach kaum jemand darüber Gedanken, ob in etwa Rechte Dritter verletzt würden.
Urheberrechtlich ist die Sache eigentlich ziemlich eindeutig. Wer geschützte Werke (in diesem Fall Computerprogramme) im Sinne des § 2 UrhG veröffentlichen will, braucht die Zustimmung des Rechteinhabers. Computerspiele genießen urheberrechtlichen
Schutz. Die im Spiel mitunter enthaltenen Einzelwerke wie Grafiken, Musik, Videosequenzen und Benutzeroberflächen oder HUDs sind urheberrechtlich als „persönliche geistige Schöpfungen“ zu
deklarieren. Darüber hinaus können mittlerweile auch Spiele als Filmwerk angesehen werden, weil die Sequenzen derartig filmähnlich sind, dass eine Unterscheidung zu einem Film bzw. einem
Ausschnitt aus einem Film wenn überhaupt nur sehr gering ausfällt.
Der Publisher bzw. das Spieleunternehmen müsste also beispielsweise dem Streamer ein konkretes Recht einräumen, dass dieser die Spieleinhalte kommentiert und/oder in bearbeiteter Form hochladen
darf. Denn man sollte sich hierbei vor Augen führen, dass fremdes Material herangezogen und die persönliche Note „drübergespielt“ wird. Werden solche Inhalte im Internet über bestimmte
Plattformen dann veröffentlicht, ist das rechtlich eine „öffentliche Zugänglichmachung” nach § 19a UrhG. Dies gilt wie auch analog zur Verwendung von Bildern im Internet (s. auch Blog zu den Bildrechten) sowohl für das Hochladen von Videoinhalten auf privaten Websites und Blogs als auch für jene Inhalte, die man bei YouTube und anderen
Plattformen einstellt oder als Stream online zugänglich macht. So zumindest ist die Rechtslage in Deutschland und Europa. In den USA könnte die bereits an anderer Stelle erwähnte
Fair-Use-Mechanik greifen, die einer gesetzlichen Schranke gleichkommen würde. Wir beschränken uns allerdings nachfolgend auf den deutschen Rechtsraum.
Kleiner Exkurs: Es wird sogar in der Literatur diskutiert, ob Spieler nicht ein besonderes Leistungsschutzrecht eingeräumt bekommen sollten. Und zwar in Form von einer Zubilligung eines Rechts
nach § 73 UrhG als ausübender Künstler, der seine
Darbietung auf Bild- und Tonträger aufnehmen und seine Schöpfung öffentlich zugänglich machen kann, also insbesondere im Internet auf Portalen wie YouTube. Dieses ist allerdings umstritten und
soll nur am Rande erwähnt sein.
Als weitere Schranke könnte das Zitatrecht nach § 51 UrhG
in Frage kommen. Demnach wäre eine Veröffentlichung dann zulässig, wenn u.a. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts
aufgenommen werden. Ein Zitatrecht scheidet aber auch aus, da sich Spieletitel für gewöhnlich außerhalb des wissenschaftlichen Bereichs befinden und sich auch nicht nur auf Ausschnitte eines
Werkes beziehen und es dementsprechend auch an einer Belegfunktion für eigene Erörterungen mangelt. Ein Let’s Play dürfte in den wenigsten Fällen genügen, um die Verwendung von Spielinhalten als
Zitat zu begründen.
Wie kann es nun aber sein, dass es im Internet unzählige Videos und Streams gibt, die Spieleinhalte als Hauptbestandteil haben? Es erscheint auf den ersten Blick unwahrscheinlich, dass sich jeder
Twitcher oder YouTuber die Genehmigung beim Publisher eingeholt hat. Tatsächlich ist es aber so, dass viele Spielehersteller schon von vorn herein in AGB bzw. Nutzungsrichtlinien einwilligen,
dass Mitschnitte von u.a. Spielen veröffentlicht werden dürfen. Aber dies ist natürlich pauschal nicht immer der Fall. Es macht aber für die Publisher durchaus Sinn – alleine schon aus
wirtschaftlichen Gründen. Denn jede kleine Erwähnung im Internet ist goldwert und freie kostenlose Werbung für den Spielehersteller. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass speziell Let’s Plays
einen sehr großen Werbeeffekt mit sich bringen. Ob die Werbung dann positiv oder negativ ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier. Dennoch zeigt es anderen Usern ja nur, dass das Spiel
gespielt wird und die Leute womöglich daran Spaß haben. Und eben weil die Marketingmöglichkeiten derart groß sind, nehmen viele Publisher die ausdrückliche Genehmigung in ihre Nutzungsbedingungen
mit auf. Aber Genehmigung ist hier nicht gleich Genehmigung. Die meisten Nutzungsbedingungen umfassen nämlich nur ein Recht zur nicht-kommerziellen Nutzung der Spieleinhalte für Let’s Plays. Dies
bedeutet, dass schon eine Monetarisierung von YouTube-Videos mit Anzeigen oder das Streamen mit
Gewinnerzielungsabsicht eigentlich verboten wären. Je nach Spielehersteller variieren die Inhalte der Nutzungsbedingungen deshalb stark und es ist Vorsicht geboten. Um hier Abhilfe zu
schaffen, gibt es ein "Let's Play"-friendly developers Wiki, welches frei zur Verfügung steht. Dort sind die größten
Spielehersteller gelistet und es kann aus der Tabelle entnommen werden, welche und ob Rechte beim Streamen eingeräumt werden. So spart man sich im Zweifel viel Zeit, jede einzelne Klausel der
Spiele-AGB durchzukauen.
Um die Tiefe dieser Klauseln zu verstehen, möchte ich einige Beispiele aufzeigen. Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die Thematik gesehen werden kann und wo Gefahrenstellen lauern. Valve z.B. hat eine eigene Video-Richtlinie. Diese ist relativ unkompliziert.
Es wird einem das Recht eingeräumt, die Spieleinhalte nicht-kommerziell zu nutzen. Valve möchte nur nicht, dass Elemente der Spiele (Musik etc.) an Dritte verkauft oder lizenziert werden.
Monetarisierungsmaßnahmen auf gängigen Streamingplattformen sind hingegen erlaubt. Ubisoft hingegen verlangt eine vorherige Genehmigung und erlaubt im Zuge dessen „Let‘s Play“-Inhalte. Die Nutzungsbedingungen sind
zum Teil sehr unterschiedlich gestaltet und tiefgreifend. Nintendo z.B. verlangte im Jahr
2013 eine Umsatzbeteiligung pro Upload und geriet damit in dieSchlagzeilen. Auch die Konkurrenten sahen das Vorgehen Nintendo’s sehr kritisch, weil dadurch die Community stark eingeschränkt und
erheblich beeinträchtigt würde. Mittlerweile ruderte Nintendo aber bereits zurück und führte das Nintendo Creators Program ein. Dies ist ein Programm, welches den Videoersteller aktiv an
Werbeeinnahmen beteiligt. A Prospos 2013: Es gab in diesem Jahr auch auf und von YouTube eine ominöse Löschwelle, wobei die meisten hochgeladenen Let’s Plays ohne vorherige Absprache mit den
Publishern gelöscht wurden, weil das Content-ID-Verfahren anschlug und Urheberrechtsverletzungen bei Musikstücken in den Spielen erkannte – was natürlich nicht der Realität entsprach. Damit so
etwas nicht wieder passiert, haben einige Hersteller sodann Duldungserklärungen eingeführt. EA bspw. hat dementsprechend geregelt, grundsätzlich keine Rechte gegen die Verbreitung von Videomaterial in Form von Let’s Plays
oder Screenshots auf YouTube und co. geltend zu machen, insoweit es sich nicht um eine rechtswidrige oder unangemessene Verwendung handele. Dennoch werde nichts unternommen, falls YouTube wieder
willkürlich Videos löscht. Die Duldungserklärung ersetzt dann in dem Moment die Einholung einer Genehmigung.
Spannend ist ferner auch die Frage nach jugendschutzrechtlichen Bestimmungen bei Let‘ Plays. Hierbei empfehle ich für einen detaillierteren Einblick den Artikel des
Kollegen Felix Hilbert.
Üblicherweise sind Spiele in Deutschland mit Alterskennzeichen der USK nach dem JuSchG, das ausdrückt, ab welcher Altersgruppe das jeweilige Medium keine Entwicklungsbeeinträchtigung mehr auslöst, gekennzeichnet. Wer
kontrolliert aber bzw. ist dafür verantwortlich, ob jugendschutzrelevante Themen auch bei Let’s Plays eingehalten werden? Laut dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) müssen Anbieter entwicklungsbeeinträchtigender
Angebote dafür Sorge tragen, dass Minderjährige der betroffenen Altersstufen diese üblicherweise nicht wahrnehmen. Jugendgefährdende Angebote hingegen dürfen grundsätzlich nicht frei verbreitet
oder zugänglich gemacht werden. Die Meinungen in der Literatur zu dieser Thematik sind gespalten. Einige sagen, dass Let’s Plays sehr wohl auch entwicklungsbeeinträchtigend sind, weil der
Spieleinhalt der gleiche bliebe. Die herrschende Meinung, der ich ohne weiteres folgen kann, allerdings meint dazu, dass das passive Verfolgen eines Spielgeschehens nicht ausreiche, um einen
interaktiven Charakter zu begründen. Es ist demnach ein Unterschied, ob ich Leuten in CS:GO dabei zuschaue, wie sie andere Leute abschießen, oder ob ich den Cursor selbst auf einen Kopf ziele und
abdrücke. Darüber hinaus gibt es andere Interaktionsformate wie die Chatfunktion sowie den üblichen Audiokommentar des Let’s Players, welcher schon eher darüber bestimmt, welche Altersgruppe
angesprochen werden soll. Herrschende Literaturmeinungen stimmen mir da zu. Auch aus diesen Gründen müssen meiner Meinung nach Let’s Plays unabhängig von der Altersfreigabe des jeweiligen Spiels
bewertet werden. Hierfür müssen der Gesamteindruck sowie die Wirkung von Einzelheiten berücksichtigt werden. Die Verantwortung dafür liegt hier selbstverständlich beim Ersteller des Let’s Plays.
Darüber hinaus kommt auch der Aspekt der Kunstfreiheit (sofern das Let’s Play künstlerisch derartig „hoch“ gestaltet ist) in Betracht. Diese hat einen Vorrang vor dem Jugendschutz und ist bei
Let’s Play-Videos auch selbstverständlich bei einem hohen Maße an individueller Kreativität denkbar.
Wie bereits eingangs erwähnt, gibt die Rechtsprechung auf die konkrete Frage, was nun bei Let’s Plays gilt, nicht wirklich etwas her. Solange abschließend hier noch nichts entschieden ist, ist
die Sache für die Videoersteller und Streamer eigentlich recht simpel. Liegt eine ausdrückliche Genehmigung oder Duldungserklärung für das Hochladen von Spieleinhalten vor, darf man dies im
Rahmen der Nutzungsbedingungen auch tun. Spannender ist wohl eher die Frage, wenn keine Genehmigung vorliegen sollte. Hier wäre denkbar, dass sich deutsche Gerichte im Streitfall auf die BGH-Entscheidung Vorschaubilder I berufen. Demnach darf ein
Rechteinhaber von Fotos nicht gegen Thumbnails dieser innerhalb der Google-Bildersuche vorgehen, wenn seinem schlüssig anmutenden Verhalten die objektive Erklärung entnommen werden kann, er sei
mit der Nutzung seiner Werke durch die Bildersuchmaschine einverstanden. Der Punkt des schlüssigen Verhaltens ist hierbei auch bei Let's Plays ausschlaggebend. Dies sei explizit schon dann der
Fall, wenn der Berechtigte seine Werke ungesichert dem Zugriff durch Bildersuchmaschinen aussetze, obwohl er von deren Anzeige in Vorschaubildern Kenntnis erlangt hat. Bei Let’s Plays wäre dies
dann analog der Fall, wenn keine technischen Vorkehrungen getroffen würden, Let’s Plays zu erstellen und hochzuladen oder in dies in seinen Nutzungsbedingung explizit untersagt. Solange die
Publisher damit die Let’s Plays und die allgemeine Verbreitung von Inhalten ihrer Spieletitel weiter dulden und sogar entsprechende Duldungserklärungen oder Portale zum Uploaden von Screenshots
und Videomaterialien anbieten, liegt das objektive Merkmal einer konkludenten Genehmigung nahe.
Die letzten Jahre zeigten auch schon, dass der Trend immer weiter zur konkludenten Genehmigung geht. Dies macht auch für die Spieleentwickler nur Sinn, da die (kostenlosen) Werbeeffekte wirklich
nicht zu vernachlässigen sind. Und die Community dankt es ihnen mit Treue. Let’s Play!
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Ayman (Freitag, 17 November 2023 14:35)
Danke