E-Sports im arbeitsrechtlichen Kontext

by msk


Alles auf eine Karte setzen? Für Gamer ein Traum. Die Kommerzialisierung des E-Sports nimmt rasant zu. Schaut man sich den E-Sports-Kalender 2020 an, so bemerkt man als Fan der Szene schnell, dass einem neben dem regulären Ligabetrieb nahezu wöchentlich Großveranstaltungen angeboten werden. Und das Interesse der Öffentlichkeit ist mittlerweile nicht mehr von der Hand zu weisen. Die enormen Preisgelder schaffen zusätzlichen Anreiz für Spieler und Organisationen, professionellere Strukturen aufzubauen, um größtmöglichen Erfolg sicherzustellen. Das weltweit am höchsten dotierte E-Sports-Turnier 2019 war abermals die von Valve dieses Mal in Shanghai ausgerichtete Dota 2 Weltmeisterschaft „The International“ mit über 34 Mio. US-Dollar Preisgeld, welches an 18 Teams ausgeschüttet wurde. Das Sieger-Team OG, welches auch schon im Vorjahr erfolgreich war, erhielt ca. 15,6 Mio. US-Dollar. Durchschnittlich am meisten Preisgelder werden übrigens in Asien ausgeschüttet.
Dass die Elite der E-Sports-Profis heutzutage gehaltstechnisch also mit Spitzensportlern aus Fußball, Tennis und co. mithalten können, ist lange kein Geheimnis mehr. Der deutsche Dota 2 Veteran Kuro "KuroKy" Salehi Takhasomi, der alleine durch Turniergewinne bereits ca. 5 Mio. US-Dollar kassiert hat. Hinzu kommen seine unbekannten vertraglichen Bezüge aus seinen vorherigen Anstellungen bei E-Sportsorganisationen wie Team Liquid.
Aber Gehalt ist dabei nicht gleich Gehalt, denn obwohl die meisten Spieler als normale Arbeitnehmer Organisationen angehören und ein festes Grundeinkommen erhalten, ist der variable Anteil der Vergütung, der durch Turniergewinne erreicht werden kann, nach wie vor Hauptbestandteil des Einkommens. Deshalb gibt es buchstäblich ohne Fleiß keinen Preis. Wer demnach viel verdienen will, muss auch zur Elite gehören und vieles leisten. Selbst wenn man nicht zur absoluten Elite zählt, sind Jahresgehälter im sechsstelligen Bereich aber nicht mehr unüblich. Und davon lässt sich sehr gut leben, oder?
Spieler kleinerer Teams hingegen, die den Durchbruch erst schaffen wollen, sind häufig nur als geringfügig Beschäftigte angestellt und können gerade so ihre monatlichen Kosten decken. Die Schere geht also auch im E-Sports weit auseinander.

Der E-Sports-Spielervertrag

Zu allererst stellt sich überhaupt erst einmal die Frage, ob E-Sportler, die bei einem Team (bzw. einer Organisation) unter Vertrag genommen werden sollen, überhaupt als Arbeitnehmer anzusehen sind, oder ob sie selbstständig als Auftragnehmer tätig sind, bzw. was aus Sicht von Spieler und Organisation sinnvoller erscheint. Einbezogen wird dabei im Übrigen nur geltendes deutsches Arbeitsrecht.

Bei minderjährigen Spielern gilt die Besonderheit, dass der gesetzliche Vertreter an Stelle des Spielers rückt und einwilligen muss. Aufgrund des Rechtscharakters empfinde ich den Arbeitnehmerstatus für Berufs-E-Sportler und deren Organisationen aus juristischer Sicht als erstrebenswert. Warum?
Als Arbeitnehmer gilt nach § 611a BGB grundsätzlich, wer aufgrund eines Arbeitsvertrages unselbstständige, fremdbestimmte Dienstleistungen zu erbringen hat. Der Arbeitnehmer ist mitunter persönlich abhängig, weisungsgebunden und in einen Betrieb eingegliedert. Aufgrund des internen und externen (Sponsoren etc.) Leistungsdrucks, der eine gewisse Konstanz in Teams und Management voraussetzt, ist es sinnvoll Spieler, der für ein E-Sports-Team spielen sollen, mit Arbeitsverträgen auszustatten, die klare Regelungen zum Einsatz des Spielers enthalten. Dazu gehören neben den Hauptleistungspflichten wie Vertragsdauer und Vergütung auch die konkreten Rechte und Pflichten der Spieler. Diese könnten bspw. die Trainingszeiten definieren, wie oft und wo ein Bootcamp abgehalten wird, welche Mindestteilnahmen an Turnieren vorgegeben sind, wie der Sponsor einzubinden ist, welche Rechte der Spieler zur Vermarktung abtreten muss, wie er sich außerhalb der Trainings- und Turnierzeiten zu verhalten hat, was bei Leistungsstörungen zu beachten ist usw. Weitere Klauseln könnten die Nebenbeschäftigung, Beendigung des Vertrages, Ablösesummen oder Drittbeteiligung an Unternehmen oder Sponsoren beinhalten. Es sind auch noch stärker leistungsabhängige Verträge denkbar. Aber daran erkennt man schon, dass es mit einem einfachen "Jo, ich spiele gerne bei euch!" einfach nicht getan ist.
Daher ist es eminent, dass ein solcher Spielervertrag so detailliert wie möglich und vor allem schriftlich ausformuliert wird. Im Streitfall kann immer auf die Beweiskraft des Vertrages verwiesen werden. Auf Vertragsmuster, die gratis im Internet zu finden sind, solltet ihr dabei stets verzichten, da diese nicht ausreichend individuell gestaltet sind und im Streitfall enorme Probleme verursachen können. Es empfiehlt sich immer, einen Fachanwalt hinzuziehen - auch wenn es ein wenig Geld kostet.

Vor- und Nachteile des Arbeitnehmerstatus

Vor- und Nachteile eines festen Arbeitsverhältnisses liegen eigentlich auf der Hand. Da die Organisation, für die ein E-Sportler tätig sein soll, direkt weisungsbefugt ist, kann die Organisation auch bestimmen, wann, wie und wo der E-Sportler einzusetzen ist. Der E-Sportler hingegen muss sich über die Organisation von Trainings, Bootcamps oder dem logistischen Aufwand bei (ausländischen) Turnieren keine Gedanken machen und hat die Möglichkeit, mehr oder minder permanent in einer Art „Home Office“ von zu Hause aus zu arbeiten. Während ein selbstständig tätiger E-Sportler nicht an feste Laufzeiten gebunden ist und auch während einer Saison zu einem anderen Team wechseln kann, ist der angestellte E-Sportler an die Laufzeit des Vertrages (unter Berücksichtigung der vereinbarten Kündigungsfristen und/oder fixen Ausstiegspunkte) gebunden. Daraus ergeben sich für beide Parteien über einen gewissen Zeitabschnitt Planungssicherheit, um größtmöglichen sportlichen Erfolg zu ermöglichen. Der E-Sportler muss sich nicht um die eigene Vermarktung seiner Persönlichkeitsrechte kümmern. Die Organisation wiederum hat den Vorteil, dass sie langfristige Verträge mit Sponsoren abschließen kann, welche der Spieler wiederum u.a. in Social Media bewerben kann. Der Spieler erhält ein fixes Grundgehalt und ist sozialversicherungspflichtig angestellt. Somit sind sowohl Kosten als auch Einnahmen von beiden Seiten gut planbar, da bei Ausfällen (z.B. Handbruch - für welche aber sowieso Versicherungen abgeschlossen werden sollten) die Sozialversicherungsträger übernehmen und die gesetzliche Unfallversicherung greift. Wenn zudem alle Spieler eines Teams mit Arbeitsverträgen ausgestattet sind, können sie sich ganz und allein auf ihre sportliche Leistung konzentrieren und organisatorische als auch finanzielle Sicherheit lassen den Fokus klarer auf anvisierte Ziele legen. Ein netter Nebeneffekt ist, dass durch die geringere Spielerfluktuation Teambuilding-Maßnahmen eher Früchte tragen, weshalb sich angestellte E-Sportler mit ihrer Organisation, den restlichen Mitarbeitern und den Fans eher identifizieren können als Selbstständige. Die Praxis zeigt auch, dass tendenziell mehr Erfolg zu erwarten ist, wenn  Teams längere Zeit in der gleichen Besetzung zusammen bleiben.
Auch Nachteile sind nicht von der Hand zu weisen, da sie vice versa von den Vorteilen ableitbar sind und sich speziell nur auf die Organisation auswirken. Ein festes Anstellungsverhältnis bedeutet nämlich auch, dass Gehaltszahlungen pünktlich zu zahlen und Kündigungsfristen einzuhalten sind. Da der sportliche Erfolg nicht immer zu garantieren ist, kann dies zu Zahlungsengpässen führen. Und Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern sind in der Regel nicht von der Insolvenz umfasst. Zudem muss die Organisation dafür sorgen, dass Regelspielbetrieb sichergestellt wird. Es bedarf also an Personal, dem Team den Rücken frei zu halten. Hinzu kommen allgemein notwendige betriebswirtschaftliche Aufwendungen, wie eine Buchhaltung, Arbeitsschutzvorkehrungen, Marketing usw. Fraglich ist zudem, ob es einem E-Sports-Team zuträglich ist, wenn ein Teammitglied urlaubsberechtigt ist oder sich arbeitsunfähig meldet. Es könnten sich daraus arbeitsrechtliche Probleme ergeben, wenn ein Spieler trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung trotzdem privat spielt. Bei der Ausgestaltung der Verträge sollte die Organisation des Weiteren arbeitsrechtliche Vergütungskriterien, wie z.B. den Mindestlohn, beachten, für die es bislang noch keine Ausnahme (Ehrenämter sind nicht möglich!) gibt. Bei Organisationen, deren Teams noch nicht zur Elite zählen, sollten Verträge für geringfügig Beschäftigte ausreichen.

Sonderfall Stand-Ins

Wann kann der Status des Auftragnehmers für eine Organisation doch von Vorteil sein? Wir haben eben schon vom Nachteil des Arbeitsausfalls gesprochen. Damit Spiele oder gar ganze Turniere nicht abgesagt werden müssen und um somit einen massiven finanziellen Verlust zu vermeiden, greifen Teams häufig auf Ersatzspieler, sog. „Stand-Ins“, zurück. Diese Stand-Ins ersetzen temporär einen durch welchen Grund auch immer verhinderten Hauptspieler des Teams. Da diese Stand-Ins zumeist Spieler ohne Organisationsbindung sind, sind sie als Art Freelancer auf dem Markt verfügbar. Für die den Ausfall zu kompensierende Organisation macht es in diesem Kontext wenig Sinn, den Ersatzspieler langfristig per Spielervertrag an sich zu binden, wenn absehbar ist, dass der Stammspieler nur kurzfristig ausfällt. In diesem Fall wäre es mehr als angebracht, den freien Spieler als Auftragnehmer via Dienstvertrag zu beauftragen, für ein bestimmtes Spiel oder Turnier einzuspringen. Allerdings sollte auch dies schriftlich vereinbart und vorher durch einen Fachanwalt überprüft werden, denn es warten hier bekannte Kniffe der arbeitsrechtlichen Grundsätze zur freien Mitarbeit (z.B. Scheinselbstständigkeit). Des Weiteren muss überprüft werden, ob dem Einsatz des Stand-Ins nicht andere vertraglichen Umstände entgegenstehen. Falls der Stand-In noch in einer anderen Organisation tätig ist, so könnte in einem solchen dort vorliegenden Spielervertrag fest verankert sein, dass der Spieler nur exklusiv für seine Organisation in einem Wettbewerb teilnehmen darf. Sollten Ersatzspieler eine solche Klausel in ihrem eigenen Spielervertrag stehen haben, ist ein Einsatz als Stand-In für die andere Organisation nicht möglich – es sei denn, es liegt eine explizite Einwilligung vor.

E-Sports ohne Organisation

Natürlich ist es auch oftmals in der Praxis so, dass Spieler unabhängig und auf eigene Rechnung auf dem Markt agieren oder sich verschiedene selbstständig tätige Spieler zusammenfinden und einen gemeinsamen Zweck als Team verfolgen, ohne einer großen Organisation anzugehören. Speziell im letzteren Fall ist es so, dass dann die Zusammenfindung gleichgesinnter Spieler zu einem Team (z.B. 5 unabhängige Spieler aus Deutschland) die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach sich ziehen könnte. Die GbR stellt die Vereinigung von mindestens zwei Personen dar, die einem gemeinsamen Zweck (jede erlaubte gewerbliche Tätigkeit) folgen und sich diesem Zweck in einem Gesellschaftervertrag verpflichten. Der Gesellschaftsvertrag kann und wird in der Praxis häufig mündlich vereinbart werden (jeder haftet zu gleichen Teilen; zahlt gleiche Teile ein; erhält anteilig die gleichen Preisgelder; zahlt anteilig Aufwendungen), jedoch ist es auch bei der GbR ratsam, den Gesellschaftsvertrag rechtssicher schriftlich auszuformulieren zu lassen. Danach kann der Spielbetrieb unter einer beliebigen Geschäftsbezeichnung "Clan-Name" (kein Firmenname, da eine Registereintragung nicht möglich ist) aufgenommen werden. Meist wird dieses Modell aber nur solange genutzt werden, bis eine größere Organisation Interesse zeigt, das komplette Team und jeden einzelnen zu verpflichten und mit einem Spielervertrag auszustatten. Dieses ist aufgrund o.g. Vorteile auch nur plausibel.

Fazit

Professionelle Organisationen sowie E-Sportler sollten sich fast immer dazu entscheiden, miteinander einen Arbeitsvertrag einzugehen, der genau regelt, wohin die Reise für alle Beteiligten gehen soll und was im Streitfall gilt. Die Vorteile gegenüber dem Abschluss eines Dienstvertrages mit einem Freelancer überwiegen deutlich. Zudem geraten beide Parteien nicht in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit, die unangenehme Folgen haben kann. Damit höchstmögliche Rechtssicherheit gewährt werden kann, sollte der Spielervertrag wasserdicht von einem Fachanwalt gestaltet und geprüft werden.


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