Benötigen Twitch-Streamer eine Rundfunklizenz?

by msk


Seit Anfang des Jahres 2017 haben Landesmedienanstalten die Live-Streaming-Aktivitäten auf großen Twitch-Kanälen im Visier. Dies betrifft vor allem Let’s Player und eSportler. Akut wurde die Thematik beim deutschen Streamer PietSmiet. Auf seinem Twitch-Kanal hat PietSmiet alleine bereits über 13 Mio. Views. Er erhielt Anfang des Jahres Post von der zuständigen Landesmedienanstalt. Darin hieß es, die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten beanstande die Verbreitung seines Twitch-Kanals. Auf seinem Kanal sendet PietSmiet permanenten Let's-Play-Content und dabei solle es sich um ein Rundfunkangebot ohne Zulassung haben. Bis zum 30.04.2017 sollte diese beantragt werden. Ansonsten würde die ZAK das Angebot untersagen und es könnte unter Umständen auch zu hohen Geldstrafen kommen. Was erst einmal kurios klingt, kann in Zukunft für viele große Streamer ernsthafte Folgen haben.

Ab wann benötigt man eine Rundfunklizenz?

Es stellt sich die Frage, welche Inhalte in Deutschland als Rundfunk gelten. Dies ist nicht nur für Streamer von Belangen. Wir leben in einer Zeit, in der das Internet eine immer größer werdende Rolle einnimmt. Dies gilt nicht zuletzt auch für bewegte Bilder. So ist es vorstellbar, dass ebenso Internetinhalte von Nachrichtenanbietern, Sportclubs oder allen anderen Unternehmen, die auf YouTube, Twitch, Facebook Live, Instagram oder Snapchat usw. rundfunkrelevanten Content anbieten, eine Rundfunklizenz benötigen. Neu ist diese Thematik nicht. Schon vor rund 10 Jahren setzten sich die Landesmedienanstalten mit dem Aufkommen von Web-TV-Inhalten auseinander, leider ohne zu einem konkreten Ergebnis gekommen zu sein. Folglich wurden Fälle immer wieder einzelfallabhängig entschieden. So mussten sich in der Vergangenheit z.B. die Jungs von rocketbeans.tv eine Sendelizenz zulegen, um ihre Inhalte weiterhin streamen zu dürfen. Nun trifft es aber auch vermehrt private Einzelpersonen. Doch warum benötigt man in Deutschland überhaupt eine solche Lizenz?

 

Dies hat mehr oder minder historische Gründe. Wer in Deutschland Rundfunk veranstalten will, braucht hierfür grundsätzlich eine Zulassung. Früher kämpften Fernsehen und Radio um diverse Frequenzen bei ihrer terrestrischen Verbreitung. Es wurden Lizenzen erhoben, um somit den Anstalten Frequenzen zu garantieren. Heutzutage ist das Feld von Rundfunkanbietern und –inhalten aber deutlich größer. Laut § 2 Abs. 1 Medienstaatsvertrag (MStV) ist Rundfunk ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Darüber hinaus muss ein journalistisch-redaktioneller Inhalt gegeben sein und das Angebot von mehr als 500 Zuschauern/Usern gleichzeitig gesehen werden können. Ob die eigenen Inhalte zulassungspflichtig sind bzw. die Voraussetzungen von Rundfunk vorliegen, kann ganz bequem über die Checkliste der Medienanstalten herausgefunden werden.


Ob bzw. wann audiovisuelle Streams zulassungsbedürftig sind, hängt immer vom Einzelfall ab. Dabei muss man unterscheiden, ob es sich um Live-Inhalte oder Inhalte on-demand handelt. Denn wer ausschließlich aufgenommene Let’s Plays bei YouTube hochlädt, der benötigt keine Rundfunklizenz – egal wie viele Menschen später das Video wirklich anklicken. Hier kommt die bereits erwähnte „Linearität“ (Verbreitung in Echtzeit) ins Spiel. Livestreams können demnach prinzipiell eine Zulassung erfordern – vor allem dann wenn sie in sehr eng frequentierten Abständen stattfinden. Es müssen aber noch die anderen o.g. Faktoren herangezogen werden.

 

Interessanterweise werden z.B. nicht die tatsächlichen Zuschauerzahlen analysiert. Es reicht bereits die Tatsache aus, dass ein Stream technisch dazu in der Lage sei, mehr als 500 Zuschauer zuzulassen. Ob dann auch wirklich so viele Leute einschalten, stehe auf einem anderen Blatt Papier. Eine technische Begrenzung der Zuschauerzahl würde also bereits genügen, um eine Zulassung zu umgehen. Nur leider bietet solche Optierungsmöglichkeiten keiner der  großen Streamingdienste an. Somit müsste der Streamer schon von seiner eigenen Serverlandschaft aus Livebilder versenden und die Zuschaueranzahl beschränken. Auch die redaktionelle Gestaltung oder das Vorliegen eines Sendeplans kann mitunter von Stream zu Stream bei der Beurteilung, ob eine Rundfunklizenz benötigt wird, variieren. Ein „Sendeplan“ liegt z.B. dann nicht vor, wenn nur individuell, sporadisch, unregelmäßig oder nur gelegentlich, weil gerade ein bestimmtes Event ansteht, live gestreamt wird. Redaktionell gestaltet sind Inhalte insbesondere dann, wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots sei. Was kompliziert klingt, ist in der Praxis durchaus auch so oder so auslegbar.


Wie komplex das Thema sein kann, zeigt ein Beispiel aus der Praxis: die Handball-WM im Januar 2017. Nachdem die Verhandlungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten über die Übertragungsrechte an der Handball WM in Frankreich gescheitert waren, hat die DKB vom 11. bis 29. Januar 2017 per HD-Livestream 51 von 88 Spielen der Handball-WM auf ihrer Internetplattform handball.dkb.de und auf dem zugehörigen YouTube-Kanal online übertragen. Die ZAK hat daraufhin festgestellt, dass die DKB für die Internet-Liveübertragung einer rundfunkrechtlichen Zulassung bedurft hätte. Die Zuschauer – auch ich persönlich übrigens - rieben sich mehr oder minder verärgert die Augen, als plötzlich die Streams schwarz wurden und man über eine Halbzeit eines Deutschland-Spiels verpasste. Anschließend wurde die Übertragung aufgrund des übermäßig großen Allgemeininteresses aber dennoch ohne Bußgelder bzw. weiterreichende Maßnahmen geduldet. Dieses soll aber ein Einzelfall bleiben.

Konsequenzen einer Zulassungspflicht

Es stellt sich nun konkret die Frage, was eine zulassungspflichtige Rundfunklizenz denn für Streamer zur Folge hätte. Diese können sehr tiefgreifend sein. Einerseits müssten Streamer eine Gebühr entrichten. Diese bemisst sich nach dem RStV jeweils individuell und kann zwischen 1.000 und 10.000 EUR betragen. Dabei spielen Kennzahlen wie Verwaltungsaufwand oder Wert des Unternehmens eine Rolle. Leider ist die Beantragung wie so vieles in Deutschland sehr kompliziert und bürokratisch, weshalb mitunter auch noch Kosten für einen Fachanwalt on top kommen. Holt man eine solche Lizenz übrigens nicht ein, drohen Bußgelder im bis zu sechsstelligen Bereich. Normalerweise wird man aber erst abgemahnt bzw. aufgefordert, seine Sendung zu unterlassen. Die Konsequenzen inhaltlicher Art sind allesamt im MStV festgehalten und sind sehr komplex. Diese gehen bspw. von umfangreicheren Werbe- und Kennzeichnungspflichten bis hin zur Sicherung der allgemeinen Meinungsfreiheit. Auch die Publizitätspflichten (regelmäßige Jahresabschlüsse) sind genau vorgeschrieben. Auch gesellschaftsrechtlich typische Unterlagen wie polizeiliche Führungszeugnisse, Handelsregisterauszüge, Gewerbeanmeldungen, Gesellschafterverträge sowie konkrete Umsatzzahlen sind bei einer Antragstellung vorzulegen. Auch der Jugendschutz spielt eine große Rolle, weshalb stets ein Jugendschutzbeauftragter zu benennen ist. Wie man sieht, ist damit auch ein großer unternehmerischer Aufwand verbunden.

Ab wann bin ich eigentlich ein "Großer" auf Twitch?

Wie weiter oben bereits erwähnt, bedeutet Rundfunk das schiere Erreichen von ca. 500 Menschen. Doch ab wann ist man im deutschsprachigen Raum auf Twitch eigentlich so groß, dass man unter dem Radar der Landesmedienanstalten auftaucht? Die Zahl 500 erscheint erst einmal nicht weiter spektakulär. Objektiv betrachtet gehört man damit aber schon zu den 5% der größten Streamer. Dies entspricht etwa 100 Streams (Tendenz natürlich steigend). Streaming-Granden wie PietSmiet oder Gronkh, die mitunter Zuschauerzahlen im fünfstelligen Bereich aufweisen können, sind noch die absolute Ausnahme. Da aber auch die kommerziellen Event-Streams (z.B. zu großen Turnieren im eSports), bei denen tendenziell mehr Menschen zuschauen als bei normalen Let’s Plays, immer weiter zunehmen, müssen sich auch vermehrt „kleinere“ Streams mit dieser Thematik auseinandersetzen. So richtig weiß niemand, wann es einen selbst treffen kann. Deshalb sei auch hier Vorsicht geboten. Bislang ist die ZAK erst gegen 8 Streaming-Kanäle vorgegangen.

Und nun?

Wer also die vorgenannten Kriterien erfüllt, benötigt de facto eine Rundfunklizenz. Umgehen kann man diese nur, indem man  auf jegliche Kommentierungen oder Aufbereitungen seiner Inhalte verzichtet (hier können allerdings Probleme mit den Nutzungsbedingungen von Publishern für Let’s Plays auftreten), keinen Sendeplan hat, oder einfach nur sporadisch nach Lust und Laune und ohne feste wiederkehrende Zeitpunkte streamt. Eine weitere Möglichkeit einer Umgehung ist das Gründen einer im Ausland ansässigen Gesellschaft. Landesmedienanstalten sind räumlich nämlich nur für ihre Bundesländer im innerdeutschen Gebiet zuständig.
Befasst man sich mit der Thematik, so könnte man annehmen, dass den Medienanstalten stets der Schwarze Peter zugeschoben wird. Doch so einfach ist es dann doch nicht. Fakt ist, dass es definitiv Änderungen am Rundfunkstaatsvertrag, der in seiner jetzigen Form veraltet ist, geben muss. Denn der darin beschriebene Rundfunkbegriff entspricht nicht den Voraussetzungen für neue digitale Inhalte. Dieses wird neben der EU-Ebene auch eine nationale Aufgabe der neuen Bundesregierung und eventuell eines neuen Bundesministers für Digitales sein.

 

Die ZAK reagierte bereits darauf und gibt deshalb eine Art Empfehlung mit, im Fall von PietSmiet in Form einer "qualifizierten Anzeigepflicht", wie sie für ähnlich Radioprogramme im Internet bereits gelte. Dies hätte in der Praxis zur Folge, dass Streamer keine Rundfunklizenz benötigen würden. Sie müssten lediglich eine Art Impressum und eine Kontaktperson nennen, um ihre Inhalte anbieten zu dürfen.

 

Es bleibt also spannend und man wird abwarten müssen, was sich diesbezüglich in den kommenden Monaten alles ergibt. Jedenfalls solltet ihr die Entwicklungen rund um PietSmiet weiterverfolgen.


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Kommentare: 4
  • #1

    Jasmin (Montag, 23 November 2020 22:05)

    Super Beitrag. Danke sehr informativ

  • #2

    msk (Dienstag, 24 November 2020 08:39)

    Hi Jasmin, danke für dein Feedback. Beachte jedoch, dass seit dem 07.11.2020 der neue Medienstaatsvertrag in Deutschland in Kraft getreten ist. Demnach benötigt ein Streamer, der über einen Zeitraum von sechs Monaten durchschnittlich weniger als 20.000 Viewer gleichzeitig hat, keine Rundfunklizenz mehr. :)

  • #3

    drymstrym_tv (Freitag, 01 Oktober 2021 10:53)

    Hi und danke für den Artikel.

    Für Streamer gibt es mittlerweile Lösungen, um einfach eine Rundfunklizenz zu erhalten: Sie schließen sich einem Multi-Channel-Network an, das eine solche Lizenz schon hat und die Lizenz auf einzelne Channel ausweiten kann.

    Details dazu finden sich z.B. hier bei DRYMSTRYM TV: http://www.drymstrym.tv

  • #4

    msk (Freitag, 01 Oktober 2021 11:16)

    Liebes DRYMSTRYM TV Team, besten Dank für die Nachricht und das Feedback. Da der Artikel bereits im Jahre 2018 verfasst wurde, haben sich seither selbstverständlich (und zum Glück) einige Dinge geändert. Dieser private Rechtsblog liegt seit geraumer Zeit aus zeitlichen Gründen brach, weshalb es nur noch selten zu Anpassungen an die aktuelle Rechtslage kommt.
    Daher danke ich euch für das kurze Update! Ich ermuntere hiermit die Leser, sich gerne bei euch umzuschauen.