Ist Schrift für alle da?

by msk


Heute wollen wir uns mit einer Thematik befassen, über die sich nur die wenigsten unter uns Gedanken machen – nämlich der Schrift. Aktuell liegt ein Fall auf meinem Schreibtisch, der u.a. die Erstellung von Lizenzverträgen für die hauseigene Schriftart beinhaltet. Aus diesem aktuellen Anlass möchte ich euch in gewohnt einfacher Weise über die rechtlichen Grundlagen zur Nutzung von Fonts im Internet aufklären. Denn für viele sind dies Böhmische Wälder.

Sind Schriften überhaupt rechtlich geschützt?

Warum sind dies Böhmische Wälder? Dies hat sicherlich sowohl historische als auch ganz praktische Gründe. Die ersten Berührungspunkte mit Schriften gab es bereits im Steinzeitalter, in dem Zeichen auf Stein, Holz und Knochen gebracht wurden. Spätestens seit der Erfindung der Typografie ist die Schrift essenzieller Bestandteil unserer Kultur und das Medium der Kommunikation schlechthin, welches sich stets epochal weiterentwickelte. In unserer heutigen globalen Welt spielen Schriften nach wie vor eine große Rolle – mit dem Unterschied, dass sich vieles digital auf Bildschirmen und nicht mehr auf Print abspielt. Die neuen digitalen Rahmenbedingungen erfordern auch rechtliche Anpassungen.
Heutzutage ist es üblich und auch völlig normal, eine Schriftart einfach zu nutzen, die vorinstalliert ist. Früher allerdings wurde eine Schrift bereits aufwendig von einem Typografen hergestellt, was mit hohen Kosten und einem großen Zeitaufwand verbunden war. Jedes Zeichen musste dem Alphabet entsprechend individuell gestaltet werden – egal ob Groß- oder Kleinschreibung, Satzung- oder Sonderzeichen oder Umlaute. Man kann also davon sprechen, dass das Handwerk Schriftenherstellung etwas Kunstschaffendes hat. Dementsprechend wollte der Künstler von den Nutzern für seine Schrift ein Entgelt erhalten. Heute ist das etwas anders. Kaum jemand macht sich noch Gedanken darüber, ob er eine Schriftart oder die dazugehörige Lizenz erwerben muss, bevor er sie nutzt. Zu intuitiv und normal ist das Spiel mit einem Font innerhalb einer Präsentation oder der privaten Homepage geworden. Bei Privatpersonen muss man sich anhand von meist konkludent eingeräumten Lizenzen für die private Nutzung von Schriftarten, die vorinstalliert oder in erworbenen Programmen  enthalten sind, kaum Gedanken machen müssen, welche Nutzungsrechte benötigt werden. Soll die Schrift jedoch gewerblich genutzt werden, gibt es einige Punkte, die man rechtlich beachten muss, da es hier nicht selbstverständlich ist, wofür erworbene Schriftarten überhaupt verwendet werden dürfen.

Urheberrechtlicher Schutz an Schriften

Zu allererst soll auf Begrifflichkeiten eingegangen werden. Wir wollen uns ausdrücklich mit Webfonts, also Schriftarten im Internet, auseinander setzen. Diese Fonts werden nicht erworben. Es geht lediglich um ein Nutzungsrecht (oder auch Lizenz). Dieses berechtigt einen zur Nutzung der Schrift und umfasst Art und Umfang. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, weil häufig vermutet wird, dass man den Font erwirbt, was zur Folge hätte, dass man alle Rechte am Font erhalten würde und nicht nur zur Nutzung berechtigt ist. Allerdings sind Nutzung und z.B. der gesamte Eigentumserwerb zwei unterschiedliche paar Schuhe.

 

Der Schriftschutz ist von Juristen und der Rechtsprechung ein stark diskutiertes Thema, bei dem es noch keine Grundsatzentscheidungen gibt. Vieles ist deshalb Auslegungssache.

 

An dieser Stelle kann ich euch ein paar Paragraphen leider nicht ersparen, weil diese entscheidend dafür sind, die Thematik auszuleuchten. Nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG schützt das Urheberrecht alle Werke der angewandten Kunst, die eine persönlich geistige Schöpfung aufweisen. Dies bedeutet, dass das Kunstwerk über eine hohe individuelle künstlerische Gestaltung verfügen muss. Im Zuge dieser Prüfung unterscheidet man verkehrsgeläufig zwischen Brotschriften (Fließtext) und Akzidenzschriften (Titel-/Zierschrift). Dazu gibt es das Grundsatzurteil „Candida-Schrift“ des BGH aus dem Jahre 1958, der einerseits immer die Einzelfallbetrachtung in den Mittelpunkt rückt und andererseits klargestellt hat, dass nur in den seltensten Fällen eine einfache Brotschrift schutzfähig ist, da diese eher dem Gebrauchszweck der guten Lesbarkeit und weniger dem künstlerischen Element folgt. Akzidenzschriften sind aufgrund ihrer höheren Individualität eher schutzfähig. Ob und inwiefern eine Schrift künstlerisch individuell gestaltet ist, soll schon dem „mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Betrachter“ möglich sein. Dies bedeutet, dass du und ich erkennen müssten, dass es sich bei der Schrift um ein besonderes Kunstwerk handelt, welches sich von anderen durch die Art und Weise der (technischen) Gestaltung abhebt. Ihr merkt schon, dass es bereits bei analogen Schriftarten kompliziert ist.

 

Wie oben erwähnt, wollen wir uns verstärkt auf Webfonts in der digitalen Welt konzentrieren. Dieses macht auch nur Sinn, da heute nur noch wenige Schriften in Gießereien gegossen werden. Die digitale Schrift beherrscht den Markt vollends. An dieser Stelle müssen wir uns fragen, was eine digital erstellte Schrift rechtlich eigentlich ist. Kunst? Computerprogramm? Software? Design? Allgemein zugängliches Kulturgut?

 

Das Urheberrecht kennt in §§ 69a ff. UrhG einen Schutz für Computerprogramme. Fraglich ist in diesem Kontext, ob ein Font wirklich auch ein Computerprogramm i.S.d. Urheberrechts ist. Dies ist auch unter Juristen sehr umstritten. Ein Font ist normalerweise als Software deklariert, die lizenziert wird und dem potenziellen Nutzer auf Datenträgern oder per Download im Internet angeboten wird. Problematisch wird es an der Stelle, bei der die Begriffe Software (frei übersetzt: weiche Ware [von] soft = leicht veränderbare Komponenten) und Computerprogramme synonym verwendet werden. Denn dies ist falsch. Auch hier muss wieder ein Bogen zum angloamerikanischen Rechtsraum gespannt werden. Denn dort werden Computerprogramme nicht als Software, sondern als Applications dargestellt. Software ist demzufolge nach alles das, was keine Hardware ist und somit ein grober Oberbegriff für all das, was nicht anfassbar ist. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass wir in unserem Windows Pfad den Ordner „Programme“ haben und eben nicht „Software“. Somit zeugt es nur von schlechten Übersetzungskünsten, wenn man Schriftarten als Software i.S.v. Computerprogrammen darstellt.

 

Das Gesetz kennt den Begriff der Software aber nicht. Und Zack sind alle verwirrt. Versuchen wir das Ganze mal aufzudröseln.

 

Fonts müssen also für einen urheberrechtlichen Schutz sinngemäß Computerprogramme und nicht bloß Software sein. Ob Fonts aber wirklich Computerprogramme sind, steht dagegen wieder auf einem ganz anderen Blatt Papier und ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Computerprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine bestimmte Steuerung/Abfolge von Anweisungen (meist über eine Programmiersprache) darstellen. Es geht bei der persönlich geistigen Schöpfung bei Fonts auch nicht um Ästhetik oder äußerliche Merkmale, wie das Programm später aussieht. Vielmehr sagt das OLG München, dass es ausreicht, wenn aus „einer globalen, pauschalen Beschreibung des Programms hervorgeht, dass es sich nicht um eine völlig banale Gestaltung handelt und es nicht lediglich das Programm eines anderen nachahmt”. Es müsste also der manuell programmierte Code/die Typografie hinter dem Programm schutzfähig sein. Und genau das ist unter Juristen und Designern sehr umstritten. Es dürfte mitunter nicht ausreichen, dass sich hinter dem Font lediglich ein konkreter Schriftentwurf in Form von mathematisch beschrieben Umrissen verbirgt. Sofern Buchstaben in einer bestimmten Schrift als Grafiken gespeichert werden, handelt es sich der herrschenden Meinung nach um Software bzw. allgemein gesagt – einfache Daten - und eben nicht um ein Computerprogramm i.S.d. §§69a ff. UrhG. Denn es fehlen dort eben die für Computerprogramme typischen Steuerungselemente.

 

Nur ein (deutsches) Gericht hat bisher Fonts als Computerprogramme bejaht. So entschied das LG Köln im Jahr 2000 – allerdings ohne zu begründen, warum Fonts denn Computerprogramme seien, ob das Schrifterstellungs- oder das Schriftdarstellungsprogramm gemeint ist oder ob sich der Schutz auf das Programm an sich oder das Schriftdesign bezieht. Es bestehen also weiterhin eher Fragezeichen.

 

Es gibt allerdings noch einen anderen Ansatz, der an das Urteil des LG Köln anknüpft. Denn Fonts beinhalten neben der Schriftart oftmals auch manuell programmierbare Funktionen, welche die Darstellung auf dem Bildschirm optimieren sollen. Man spricht dabei auch vom sogenannten Hinting. Das Hinting soll die Hintertür für einen urheberrechtlichen Schutz sein. Grob gesagt ist Hinting ein Verfahren, bei dem Hinweise – „hints - in Vektorfont-Schriftarten eingebettet werden, um die Darstellungsqualität von Texten auf Bildschirmen mit geringer Auflösung zu verbessern. Hints bewirken, dass die Umrisse der Schriftzeichen bei der Darstellung exakt an den Pixelkanten ausgerichtet werden, wodurch eine einheitliche und saubere Darstellung entsteht. So weit, so gut! Das Erstellen von Hints ist wiederum ein sehr aufwändiger Vorgang, der zur Erreichung bester Darstellungsqualität manuell durchgeführt wird. Und das ist auch der Knackpunkt bei der urheberrechtlichen Bewertung. Nicht jedes Hinting stellt ein Computerprogramm i.S.d. UrhG dar, denn es gibt wiederum Programme für das Hinting selbst. Der Vorgang muss aber unbedingt manuell vorgenommen werden, um eine persönlich geistigen Schöpfung darzustellen und einen Urheberrechtsschutz zu begründen. Nur noch die wenigsten Agenturen stellen das manuelle Hinting in Rechnung, da es einfach zu zeitaufwendig ist.

 

Zwischenfazit: Ihr seht also, dass die Thematik rund um Webfonts nicht ganz einfach ist. Grundsätzlich ist alles einzelfallabhängig. Ich würde den urheberrechtlichen Schutz an Webfonts auch stark anzweifeln, denn auch wenn ein Hinting manuell programmiert wurde – und das dürfte mehr und mehr der Ausnahmefall sein – so ist auch nur das Computerprogramm geschützt und nicht die visualisierte Schrift. Dennoch wird in der Praxis aufgrund der digitalen Entwicklung und gleichzeitigen Anpassung von rechtlichen Grundsätzen der Schutz der Schrift gestärkt werden.

Designrecht von Schriften

An dieser Stelle soll aber noch nicht Schluss sein. Denn es gibt eine weitere Hintertür. Wenn wir davon ausgehen, dass ein urheberrechtlicher Schutz aufgrund mangelnder Schöpfungshöhe nicht zustande kommt, so kommt der Schutz eines Designs (früher auch: Geschmacksmuster) in Betracht. Das Designrecht ist quasi verwandt mit dem Urheberrecht, nur dass die Anforderungen an die Schöpfungshöhe aber auch der Schutz selbst niedriger sind. Designs müssen im Gegensatz zu Urheberrechten angemeldet werden und betreffen Designleistungen von Werbegrafikern, Industriedesignern, Modemachern und anderen Gestaltern von Gebrauchsgegenständen. Qua Gesetz ist ein Design die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon. Wer ein Design anmeldet, ist alleinberechtigt, die Erscheinungsform (nicht aber die Funktion; andersherum ist es bei Patenten) im Geschäftsverkehr zu nutzen. Dass Schriftarten als Designs schutzfähig sind, besagt § 1 Nr. 2 DesignG. Demnach sind grafische Symbole und typografische Schriftzeichen sowie Elemente von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen, schutzfähig. Der fünfjährige (maximal auf 25 Jahre verlängerbare) Schutz nach Anmeldung beim DPMA (in Deutschland zuständiges Amt) bewirkt, dass es Anderen in Deutschland verboten wird, den angemeldeten Webfonts ohne ein Nutzungsrecht zu nutzen. Die Schrift muss nach §§ 2 ff. DesignG neu und eigenartig sein. Dies trifft zu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Muster offenbart worden ist. Hier kann der Bogen zum Urheberrecht gespannt werden, denn eigenartig ist die Schrift dann, wenn dem „mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Betrachter“ die Abgrenzung zu einer anderen Schrift möglich ist. Dabei sind nicht einzelne Zeichen entscheidend, sondern vielmehr der Gesamteindruck der Schrift. Dies ist ein entscheidender Unterschied zum Urheberrecht.
Es gibt auch nicht eingetragene Designs, die automatisch mit der Verkehrsnutzung geschützt sind. Auch die nicht eingetragenen Designs müssen eigenartig und neu sein. Darüber hinaus kommt auch ein markenrechtlicher Schutz in Frage. Im Markenrecht wird allerdings nur der Name geschützt und eben nicht der Font selbst. Somit darf man die Schriftart anderweitig nutzen, muss dem Kind aber einen anderen Namen geben.

Anwendungen in der Praxis

Angenommen, es liegt ein Schutzrecht vor, so ist nur der zur Nutzung der Schriftart berechtigt, der auch eine Lizenz dafür hat. Lizenzen sind quasi jene Bedingungen, die dem Nutzer/Lizenznehmer auferlegt werden, um den Font nutzen zu dürfen. Aber nicht für alle Fonts benötigt man auch eine Lizenz. Es lassen sich online auch viele freie Schriften finden. Das sind zumeist Webfonts, die obwohl Schutzrechte aktiv sind, ausdrücklich frei verwendet werden dürfen, weil der Urheber auf seine Rechte verzichtet oder ein unbeschränktes Nutzungsrecht einräumt.
Frei heißt in dem Kontext aber auch, dass sie kostenlos zur (meist privaten nicht kommerziellen) Nutzung angeboten werden. Dieses kann z.B. eine der 6 Creative Commons Lizenzen sein. Es ist darauf zu achten, welche CCO Lizenz man nutzt bzw. welche Bedingungen daran geknüpft sind (etwa Urhebernennung, nur zur nicht-kommerziellen Verwendung etc.). Es handelt sich dabei also nicht um ein uneingeschränktes Nutzungsrecht sondern nur um konkludente Standard-Lizenzverträge, die es dem Nutzer vereinfachen, Fonts zu nutzen, ohne extra Verträge abzuschließen. Es ist also Vorsicht geboten. Einfacher wird dies z.B. bei Google Fonts gehalten. Google stellt alle ihre Fonts als Open-Source-Font mit einer freien Lizenz zur Verfügung – auch für den kommerziellen Gebrauch. So möchte man nicht zuletzt auch Apple-User – z.B. Webdesigner -  dazu bringen, Google-Produkte zu verwenden. Das Portfolio umfasst über 1000 Schriften. Klasse!

 

Apropos Lizenzen und deren Inhalte: Achtet immer darauf, welche Inhalte eine Lizenz genau beschreibt. Dies betrifft v.a. Lizenzgröße, Splitting, Freelancer oder den Weiterverkauf. Oftmals wird die Lizenzanzahl auf bspw. 5 Lizenzen beschränkt. Dann müsste der Unternehmer darauf achten, dass die Lizenz nicht gleichzeitig auf mehr als 5 PCs installiert ist und genutzt wird. Lizenzen dürfen ferner auch nicht geteilt werden. Das gilt auch für Unternehmen innerhalb einer Holding. Wird ein Freelancer von einer Designagentur beauftragt, entsteht eine neue Fallkonstellation. Normalerweise erhält dieser Freischaffende alle inhaltsbezogenen Projektdaten. Gehört dazu auch die Schrift? Nein! Auch der Freelancer benötigt eine eigene Lizenz. Zu guter Letzt möchte ich den Weiterverkauf von Lizenzen erwähnen. Der Weiterverkauf von immateriellen Gütern ist nicht immer leicht nachzuverfolgen. Einen puren Weiterverkauf kann es einerseits gar nicht geben, da man dafür normalerweise nicht die notwendigen Rechte innehat. Es könnte andererseits aber auch sein, dass der Lizenznehmer seine Lizenz an einen Dritten abtreten möchte. In diesem Zusammenhang muss dies dann klar und deutlich gegenüber dem Lizenzgeber angezeigt werden, sodass dieser dann wiederum sein Einverständnis erklären kann.

 

Ihr seht schon, dass die Thematik hochkomplex ist und das Rechtsgebiet rund um Webfonts noch relativ jungfräulich daherkommt. In der Zukunft wird es womöglich immer mehr freie Schriften geben. Zudem dürfte die urheberrechtliche Streitthematik immer mehr – angelehnt an die Auffassung im amerikanischen Rechtsraum -  in die Richtung eines zu bejahenden Urheberkunstschutzes gehen, auch wenn es zurzeit noch anders ausschaut.


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